Inhaltsangabe
Autoren:
Paul Woog / Terje Lange
(1999)
"Netzwerk Im-Puls
Individuelle Stilinszenierung Jugendlicher-
Die Grundlagen für die Jugendkulturarbeit in der Grossstadt"
Jugendkultur rückt im Zuge präventiver Ansätze in der Jugendarbeit wieder stärker ins
Interesse Sozialer Arbeit. Die Begründungszusammenhänge werden aber oft noch aus dem
gesellschaftlichen Kontext der Achtziger Jahre hergeleitet. In der vorliegenden Arbeit werden
die Rahmenbedingungen für die kulturelle Jugendarbeit am Anfang des nächsten Jahrtausends
erläutert.
Jugendkulturarbeit bezieht sich auf die Entwicklung der sozialen und kulturellen Identität und
Kompetenz von Jugendlichen. Die Basis für die Umsetzung von Ideen und für die Entwicklung von
Konzepten lieferten bisher Identitätstheorien und die gesellschaftlich wahrnehmbaren
jugendkulturellen Stile und Szenen.
Die Eingrenzung und Definition verschiedener jugendkultureller Stile und Szenen spielte deshalb
eine zentrale Rolle. Der Versuch, die Pluralität, die wechselseitige Durchdringung, die
Überlagerung und die Vermischung der jugendkulturellen Stile theoretisch zu fassen, stößt auf
der analytischen Ebene aber an Grenzen, der die Möglichkeit, auch nur die Phänomene
jugendkulturellen Ausdrucks in eine Angebotsplanung zu berücksichtigen, unmöglich zu machen
scheinen.
Ein großes Problem bei der Untersuchung von jugendkulturellen Stilen ist die große Vielfalt und
Schnelllebigkeit. Jeder Versuch, jugendkulturelle Stile zu erfassen, gleicht einer
phänomenologischen Momentaufnahme und bietet keine Möglichkeit, Jugendkultur wirklich zu
erfassen. Sie entgleiten förmlich dem Zugriff des Wissenschaftlers, schon in dem Moment,
in dem er versucht Charakteristika aufzustellen. Deshalb scheint dies nicht die alleinige
Möglichkeit zu sein, um Jugendkulturarbeit zu begründen.
Die veränderten Bedingungen des Aufwachsens innerhalb unserer, durch verschiedene
Strukturveränderungen geprägten Gesellschaft, zum Beispiel die Ausdifferenzierung der
Lebenslagen, die Pluralisierung und die Individualisierung, sind in anderen Zusammenhängen
schon berücksichtigt, bleiben aber bezogen auf die Jugendkulturarbeit stecken, weil sie,
wie oben angesprochen, nicht zeitnah untersucht und zugleich berücksichtigt werden können.
Im vorliegenden Werk wird deshalb nach Erklärungsmodellen gesucht, die es ermöglichen,
die Ebene der Veränderungen unserer modernen Gesellschaft, die sich in den jugendkulturellen
Stilen und Jugendszenen niederschlägt, mit einer Binnenperspektive des Individuums zu
verbinden (Subjekt- / Lebensweltorientierung).
Die Lösungsmöglichkeit soll die Integration der Subjektperspektive liefern. Ein Sachverhalt, der
als individuelle Stilinszenierung Jugendlicher charakterisiert wird. Gemeint ist damit die logisch -
analytische Aufschlüsselung der verschiedenen Möglichkeiten von Jugendlichen, sich mit einem
bestimmten individuellen Stil zu inszenieren und ihre Identität mittels der in den jugendkulturellen
Szenen angebotenen Rolleninszenierungen zu entwickeln und sich gegebenenfalls daran zu
binden.
Die charakteristischen Formen, Häufigkeiten und Funktionen der individuellen Stilinszenierungen
Jugendlicher können als Grundlage für die Weiterentwicklung der Praxis der Jugendkulturarbeit
dienen. Die Jugendkulturarbeit kann dadurch adäquat mit den veränderten Merkmalen des
Aufwachsens in unserer Gesellschaft umgehen. Sie berücksichtigt dann nicht nur die
gesellschaftlich identifizierbaren jugendkulturellen Stile und Szenen, die Identitätsbildung und
den Lebensstil, sondern weiterhin auch den individuellen Ausdruck des Lebensstils und seine
Bedeutung. So lassen sich auch die verschiedenen Mischformen und Veränderungen der
jugendkulturellen Stile und Szenen, beziehungsweise das Entstehen neuer Stilformen und Szenen
besser erklären.
Aufbau der Arbeit / Methode:
Die These, dass die individuelle Stilinszenierung sich nicht immer vollständig auf einen
jugendkulturellen Stil bezieht und deswegen auch neu in Verbindung zum Identitätstheorem
gesetzt werden muß, für die Praxis nutzbar zu machen, werden nacheinander auf der Grundlage
gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, des Individualisierungstheorems, aktueller
Untersuchungen und Arbeiten zur Jugendkultur, die Grundlagen für einen subjektorientierten
Ansatz für die Jugendkulturarbeit in der Großstadt entwickelt.
Die multifaktorielle Differenziertheit der jugendkulturellen Stile und die individuellen
Stilinszenierungen bedingen eine systematische Ausdifferenzierung der jugendkultur-
pädagogischen Angebote.
Zuerst wird deshalb die aktuelle wissenschaftliche Dimension und die Bezüge der Jugendkultur-
arbeit definiert. In der Großstadt kann die systematische Ausdifferenzierung der jugend-
kulturpädagogischen Angebote durch eine Vernetzung verschiedener Teilbereiche/-institutionen
der Praxis gelingen. Erläutert wird das Netzwerkkonzept anhand eines Praxisbeispieles.
Die Perspektive für die Jugendkulturarbeit in der Großstadt schliesst die Arbeit ab,
die Entwicklungsmöglichkeiten für die Praxis werden aufgezeigt.
Das Konzept des Netzwerkes der Jugendkulturarbeit, das kommunal bisher vor allem institutionell
und bildungstheoretisch begründet wurde, wird um eine subjektbezogene, jugendkulturelle
Begründung bereichert. Die Großstadt wird als Bezugsrahmen vorgeschlagen, weil dort eine
ausreichende kulturpädagogische Infrastruktur und die verschiedenen organisatorischen
Ausrichtungen der Einrichtungen für ein Netzwerkkonzept der Jugendkulturarbeit gut mitgedacht
werden können.
Die Arbeit spannt einen sehr großen Bogen. Dies ist notwendig, um die Relevanz der subjektiven
Stilinszenierung und deren Auswirkungen auf die Jugendkulturarbeit darzustellen.
Nicht zuletzt soll mit der vorliegenden Arbeit eine Arbeitsgrundlage für die kommunale
Jugendkulturarbeit geliefert werden, die in dieser Art noch nicht besteht. Trotzdem sollten die
Zusammenhänge der subjektiven Stilinszenierung mit den Jugendszenen und jugendkulturellen
Stilen und deren Bedeutung für die Praxis noch weiter empirisch untersucht werden.
In diesem Sinne ist die vorliegende Arbeit als eine Arbeitsgrundlage für weitere Forschungen
einzuordnen. Jugendkulturarbeit erweitert zu begründen, erfordert eine Untersuchung vieler
wissenschaftlicher Bereiche und eine Integration dutzender Argumentationsstränge. Ohne diese
breite Anlage, könnte nur eine verkürzte Begründung herausgearbeitet werden.
Durch den weiten Rahmen sind die Ausführungen zu bestimmten Themengebieten, z.B. der
Ästhetik bewußt kurz gehalten, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen.
An wichtigen Stellen und zu zentralen Begriffen werden Vergleichs- und Grundlagenliteratur zum
quer- und weiterlesen angegeben.
Das Werk entstand als Diplomarbeit am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität
Tübingen und wird seit April 2000 in einer überarbeiteten Auflage im Selbstverlag vertrieben.
Zu den Autoren:
Paul Woog ist Diplom Pädagoge und hat an den Universitäten in Stuttgart und Tübingen
Erziehungswissenschaften studiert. In Stuttgart war er in verschiedensten Einrichtungen und
Firmen tätig (MFG Medienentwicklung Baden-Württemberg, Evang. Jugendwerk Stuttgart,
Stadtjugendring Stuttgart, Jugendzentrum Etzelstrasse, Musik der Jahrhunderte, Club Nachtwerk,
Mad Music / Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle, Stuttgarter Jugendhaus e.V., Jugendhaus
Mitte, CUMULUS Kulturbüro, Koordinator für die Beteiligung Jugendlicher am kommunalen
Geschehen bei der Stadt Stuttgart, freier Plakatierer, DJ).
Heute arbeitet er als Leiter des Popbüro Region Stuttgart.
Terje Lange ist Diplom Pädagoge und hat an den Universitäten in Stuttgart und Tübingen
Erziehungswissenschaften studiert. Er ist aktiv in der Graffitti Szene mit dem Aerosol Kombinat.
In Stuttgart war er in verschiedensten Einrichtungen und Firmen tätig (Theaterhaus Stuttgart,
Evang. Jugendwerk Stuttgart, im Multimediabereich bei der Stuttgarter Jugendinformation
tips’n’trips (www.tips-trips.de) und im Jugendhaus Stuttgart-West).
Zur Zeit leitet er den Multimediabereich im JH Mitte Stuttgart.